Inhalt
Vorbemerkung.
1) Rechtsruck auch in Deutschland.
2) Ampelparteien werden abgestraft.
3) Linke gestärkt.
4) Wahlbeteiligung ist einkommensabhängig.
5) AfD, die neue Arbeiterpartei?
6) Was tun?
Take aways – Das Wesentliche zum Mitnehmen.
(1) Rechtsruck auch in Deutschland: Die Union von CDU/CSU ist stärkste Fraktion im Bundestag, die AfD hat ihren Stimmenanteil verdoppelt und wird zweitstärkste Fraktion, d.h. die Mehrheit im Bundestag ist rechts und extrem rechts. Der Schulterschluss der CDU mit der AfD drei Wochen vor der Wahl kam vor allem der AfD zugute, ebenso die Versuche von SPD und Grünen, Teile des AfD-Narrativs zu übernehmen. Damit bestätigte sich eine erste politische Evidenz: Wer das Original kopiert, stärkt es.
(2) Ampelparteien werden abgestraft: Die SPD verliert zwei Drittel ihrer Bundestagsmandate und fährt ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein, die Grünen kommen mit einem blauen Auge davon und die FDP, die beim Bündnis der CDU mit der AfD dabei war, verschwindet in der Versenkung. Damit bestätigt sich ein zweiter empirischer Befund: Wer Regierungsverantwortung trägt, während immer mehr Menschen die Folgen der Wirtschaftskrise zu spüren bekommen, wird abgestraft. In diesem Fall zugunsten der Opposition von rechts und links.
(3) Linke gestärkt: Die Linke, der noch zu Jahresbeginn mit rund 3 % ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde prophezeit wurde, hat mit indgesamt 8,8 % vor allem bei den jungen Wählern und mit 27 % bei den Erstwählern einen spektakulären Aufschwung erlebt. Die Linke grenzte sich konsequent von der Rechten ab, griff soziale Themen auf, die die Menschen bewegten, und nutzte geschickt die sozialen Medien. Dies führt zu einer dritten Evidenz: Linke Politik, die auch elektoral von den Menschen getragen wird, ist Politik für und mit den Menschen.
(4) Wahlbeteiligung ist einkommensabhängig: Mit 82,5 % hat sich die Wahlbeteiligung deutlich verbessert. Allerdings ist die Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlkreisen sehr unterschiedlich. Dabei fällt seit Jahren auf, dass die Karte der Wahlbeteiligung deckungsgleich mit der Karte der Einkommenssituation der Wähler*innen ist. Auch das ist empirisch belegt: Je ärmer ein Wahlkreis oder ein Stadtteil ist, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Nicht nur Jugendliche unter 18 Jahren, sondern vor allem die 12,1 Millionen in Deutschland lebenden und gemeldeten Ausländer und Staatenlosen sind überhaupt nicht wahlberechtigt.
(5) AfD, die neue Arbeiterpartei? Bei den Arbeiterinnen und Arbeitslosen ist die AfD die stärkste Partei. So kann sich die AfD als „Partei der kleinen Leute“ inszenieren; darauf basiert auch ihr Narrativ vom unaufhaltsamen Aufstieg. Doch aufgepasst: Der Anteil von « Arbeiterinnen » bei den Erwerbstätigen ist in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft, mit verbliebenen 11 % (72 % der Erwerbstätigen sind Angestellte). Zudem ist der Aufstieg weder linear noch unaufhaltsam, wie das parallele Anwachsen der Linken, insbesondere unter Jugendlichen, zeigt.
(6) Was tun? Es gibt jetzt zwei zentrale Herausforderungen: erstens, den Aufstieg der AfD, des rechten Gedankenguts und ihrer rassistischen Umtriebe einzudämmen und zu stoppen, und zweitens, die soziale Lage der Menschen zu verbessern, um dem Aufstieg der extremen Rechten die Grundlage zu entziehen, und dabei auch die Herausforderungen des Klimawandels ernst zu nehmen.
Vorbemerkung:
Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen setzen die Rahmenbedingungen für politische Entscheidungen – sei es für die Wirtschaft, in sozialen Fragen, beim Klima oder in der Außenpolitik. Wahlen entscheiden mit darüber, wie sich die gesellschaftliche und soziale Situation der Menschen entwickeln wird. Deshalb ist die Zeit vor der Wahl eine Zeit erhöhter Sensibilität für politische Themen – so auch bei der Bundestagswahl 2025. Zwar werden keine Minister und kein Bundeskanzler direkt gewählt, sondern 630 Abgeordnete in 299 Wahlkreisen, aber die politische Zusammensetzung des Bundestages, die aus dieser Wahl hervorgeht, entscheidet mit darüber, welche Regierung und welche Politik ihr möglich sein wird.
Über die Wahlen hinaus spielt die außerparlamentarische Opposition, d.h. die Mobilisierung von sozialen Bewegungen und Interessengruppen im öffentlichen Raum, auf der Straße, in den Medien und in der öffentlichen Debatte – also die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse – eine entscheidende Rolle dabei, welche Regierung welche Politik umsetzt. Die politische Macht der ökonomisch Mächtigen, die in der öffentlichen Debatte meist nicht direkt in Erscheinung treten, aber genau wissen, wie sie ihre Macht in den Medien und im Staat für ihre Interessen einsetzen können, darf ebenfalls nicht übersehen werden.
Ob z.B. die CDU/CSU mit der AfD regieren oder paktieren kann, um Teile ihrer gemeinsamen Rechtspolitik umzusetzen, hängt wesentlich davon ab, was außerparlamentarische Mobilisierungen zulassen. Ebenso, welche Politik letztlich in der geplanten Koalition von Union und SPD umgesetzt wird.
Wahlergebnisse sind somit ein (verzerrtes) Abbild gesellschaftlicher Stimmungen und Kräfteverhältnisse, aber nicht allein ausschlaggebend für das politische Geschehen.
Nach dieser Vorbemerkung zur Relativierung von Wahlresultaten nun zum Ergebnis der Bundestagswahl 2025.
1) Rechtsruck auch in Deutschland
Erste Feststellung: Der in den letzten Jahren und Jahrzehnten weltweit zu beobachtende Rechtstrend hat sich auch bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 in Deutschland in einem Rechtsruck niedergeschlagen.
So konnte die AfD ihr Wahlergebnis verdoppeln; mit 20,8 % der abgegebenen Stimmen und 152 Abgeordneten (+10,4 %-Punkte und +69 Sitze gegenüber der Bundestagswahl 2021) wird die AfD zweitstärkste Kraft im Bundestag. Obwohl sie sich aufgrund des rabiaten rechtsextremen Auftretens und der rassistischen Propaganda ihrer Spitzenkandidatin Alice Weigel sowie der Unterstützung durch Elon Musk mehr erhofft hatte, ist die extreme Rechte so stark wie seit 1945 nicht mehr im Bundestag vertreten.
Mit einem Zugewinn von 3,6 Prozentpunkten für die CDU und einer Stagnation für die CSU wird die Union mit insgesamt 208 Abgeordneten zwar stärkste Fraktion im Bundestag, ihr Zuwachs fällt mit + 11 Abgeordneten aber deutlich geringer aus als erwartet.
Verantwortlich dafür ist u.a. die CDU, die kurz vor der Bundestagswahl durch den Schulterschluss mit der AfD im Bundestag ihren Willen zu einer stramm rechten Politik deutlich gemacht hat, auch wenn ihr das wahltaktisch nicht so geholfen hat wie erhofft (s.u.). Aber auch die Grünen und die SPD, allen voran ihr Spitzenkandidat Kanzler Olaf Scholz, ließen unüberhörbar erkennen, dass sie das von der AfD gesetzte Thema „mangelnde Sicherheit durch unkontrollierte Zuwanderung“ teilten und sich als effiziente „Zuwanderungsbegrenzer“ und konsequente Abschieber „illegaler Einwanderer“ präsentierten und damit das Narrativ der extremen Rechten übernahmen. Wahlpolitisch hat ihnen das allerdings nicht geholfen, im Gegenteil: Bei dieser Bundestagswahl bestätigte sich erstmals eine politische Evidenz, die in zahlreichen politikwissenschaftlichen Studien seit langem belegt ist: Wer das Original kopiert, stärkt es. Wahlpolitisch hat ihnen das allerdings nicht geholfen, im Gegenteil: Bei dieser Bundestagswahl bestätigte sich eine erste politische Evidenz, die in zahlreichen politikwissenschaftlichen Studien längst belegt ist: Wer das Original kopiert, stärkt es.
Die AfD konnte 1.810.000 Nichtwähler*innen (immerhin 17,5 % ihrer Wählerschaft) an die Wahlurnen bewegen, von der CDU wechselten 1.010.000 Wähler*innen zur AfD (immerhin 10 % ihrer Wählerschaft), von der FDP waren es 890.000, von der SDP 720.000 und von Linken und Grünen jeweils rund 100.000 Wähler*innen.
Die Union gewann 1.760.000 Wähler*innen von der SPD, 1.350.00 Wähler*innen von der FDP, 900.000 bisherige Nichtwähler*innen und 460.000 Wähler*innen von den Grünen. Durch die geplante Koalition von Union und SDP wird die AfD gleichzeitig stärkste Oppositionspartei im Bundestag, was mit einigen zusätzlichen Vorteilen verbunden ist. In den Altersgruppen der 25- bis 34-Jährigen ist die AfD mit 24% und bei den 35- bis 44-Jährigen mit 26% die stärkste Partei, bei den 18- bis 24-Jährigen ist die AfD mit 21% der Stimmen zweitstärkste Partei hinter der Linken mit 25%.In allen ostdeutschen Bundesländern ist die AfD mit durchschnittlich 34,5 % stärkste Partei (im Westen durchschnittlich nur halb so viel, nämlich 17,9 %).
Union und AfD zusammen kommen auf 49,3 % der abgegebenen Stimmen (+14,4 %) und stellen mit 360 Abgeordneten (+80) weit mehr als die Hälfte, genau 57 %, der insgesamt 630 Abgeordneten des Bundestages. Damit zeichnet sich für die Bundestagswahl 2025 sichtbar ein Rechtsruck ab.
Die Resultate zur Bundestagwahl 2025 im Überblick:

Quelle: Die Bundestagswahlleiterin, unter https://www.bundeswahlleiterin.de/bundestagswahlen/2025.html
2) Ampelparteien werden abgestraft
Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP werden für ihre Politik, die die Lage vieler Menschen verschlechtert hat, wahlpolitisch abgestraft. Sie verloren insgesamt 20 %-Punkte und 211 Sitze im Bundestag (das sind immerhin zwei Drittel der bisherigen 324 Sitze; übrig blieben 113 Sitze). Die SPD fiel mit einem Verlust von 9,3 %-Punkten auf 16,4 % und 120 Abgeordneten (-86) hinter die AfD zurück. Bei Bündnis 90/Die Grünen fielen die Verluste mit 3,1 %-Punkten auf 11,6 % und 85 Abgeordneten (-33) geringer aus. Für die SPD ist dies das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg, während die Grünen ein Abrutschen unter 10 % verhindern konnten. Trotz des Versuchs, sich von der Ampelpolitik zu distanzieren, stürzte die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Lindner mit dem historisch schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte ab.
Die SPD verlor 1.760.000 ihrer Wähler*innen an die Union, 720.000 an die AfD und 560.000 an die Linke, konnte aber nur 250.000 Nichtwähler*innen und 120.000 FDP-Wähler*innen hinzugewinnen.
Union und SDP zusammen kommen auf 44,9 % der Stimmen und 328 (von 630) Abgeordneten. Das sind 52,1 % der Mandate im Bundestag und genug zum Regieren, aber nicht genug für eine Zweidrittelmehrheit, die etwa für Verfassungsänderungen notwendig ist.
Damit bestätigt sich ein zweiter empirischer Befund: Wer Regierungsverantwortung trägt, während immer mehr Menschen die Folgen der Wirtschaftskrise zu spüren bekommen, wird abgestraft. In diesem Fall zu Gunsten der rechten und linken Opposition. Auf diesen Aspekt, auf den die Ökonomin Isabella M. Weber seit der Wahl Donald Trumps in den USA hinweist, kommen wir weiter unten zurück.
3) Linke gestärkt
Die Linke, deren Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, noch wenige Wochen vor der Wahl als gering eingeschätzt wurden, ist mit 8,8 % (+3,9 Prozentpunkte) und 64 Abgeordneten (+25) gestärkt aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Im Osten erreichte sie 12,9 %, im Westen 7,9 %. Offensichtlich hat Die Linke nach ihrer Trennung von Sarah Wagenknecht und deren Anhänger*innen vieles richtig gemacht und insbesondere in der Gunst der jüngeren Wähler*innen stark zugelegt. Zu den Dingen, die Die Linke richtig gemacht hat, gehören die konsequente Abgrenzung nach rechts und die scharfe Anprangerung des Schulterschlusses der Union mit der AfD, der Kampf gegen Rassismus und Faschismus, ebenso wie das Aufgreifen sozialer Themen wie Mieten, Lebenshaltungskosten und soziale Sicherung, aber auch eine kluge Nutzung der sozialen Medien und nicht zuletzt eine geordnete innerparteiliche Diskussion und damit ein geschlossenes Auftreten der Partei. Bei den 18- bis 24-jährigen Wähler*innen wird Die Linke mit 25 Prozent Zustimmung stärkste Partei (bei den Erstwähler*innen sogar 27 Prozent), bei den 25- bis 34-Jährigen erreicht Die Linke immerhin noch 16 Prozent und wird in dieser Altersgruppe zweitstärkste Partei nach der AfD. Bei der jüngsten Altersgruppe ist allerdings noch eine Differenzierung zu beachten: Die jüngeren Frauen wählten zu einem Drittel (35 %) Die Linke, die jüngeren Männer (27 %) die AfD.
Den größten Zuwachs erhielt Die Linke durch 700.000 Wähler*innen der Grünen, 560.000 der SPD, 290.000 Nichtwähler*innen sowie 100.000 der FDP und 70.000 der Union; Die Linke verlor 350.000 Wähler*innen an das BSW und 110.000 an die AfD. Zudem hat die Linke ihre Mitgliederzahl seit Jahresbeginn von rund 50.000 auf über 100.000 mehr als verdoppelt.
Damit sind wir bei der dritten Evidenz: Linke Politik, die von den Menschen getragen wird, ist Politik für und mit den Menschen.
Das BSW erreichte schließlich mit 2.468.670 Stimmen 4,972 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, nur 13.453 Stimmen fehlten zur 5-Prozent-Hürde.Auch dies unterstreicht die oben erwähnte zweite Evidenz: Wer sich – wie das BSW – an rechte Narrative anpasst und diese übernimmt, stärkt das (rechte) Original und kann dabei selbst untergehen.
Die wichtigsten Wählerwanderungen im Überblick:

Quelle: tagesschau / infratest dimap
unter https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/analyse-wanderung.shtml
4) Wahlbeteiligung ist einkommensabhängig
Von den knapp 60,5 Millionen Wahlberechtigten gaben 49,6 Millionen tatsächlich eine gültige Stimme ab, die Wahlbeteiligung stieg damit auf 82,5 Prozent (+6,2 Prozent gegenüber der Bundestagswahl 2021), lag aber immer noch deutlich unter den höheren Wahlbeteiligungen von über 90 Prozent in den 1970er Jahren. Allerdings ist die Wahlbeteiligung ungleich verteilt: „Die Muster der Nichtwahl sind eindeutig: Je ärmer ein Wahlkreis oder ein Stadtteil ist, desto geringer ist dort die Wahlbeteiligung. Die Wahrscheinlichkeit, nicht zur Wahl zu gehen, ist bei Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer formaler Bildung besonders hoch“, stellte bereits im September 2023 eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (von Armin Schäfer) zur Bundestagswahl 2021 fest. Dies dürfte sich auch bei der Bundestagswahl 2025 bestätigen. Die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 in Hamburg beispielsweise zeigt bei einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 68 Prozent Unterschiede von 47,1 bis 83,3 Prozent, wobei die Stadtteile mit der niedrigsten Wahlbeteiligung auch die mit den niedrigsten Einkommen sind, während die Stadtteile mit den höchsten Einkommen auch die höchste Wahlbeteiligung aufweisen. Da wohlhabendere Menschen nicht nur mehr, sondern auch anders wählen als ärmere, ergibt sich eine politische Verschiebung des Wahlergebnisses.
Werden die Ergebnisse der Parteien bei dieser Bundestagswahl nicht in Prozent der gültigen Stimmen, sondern in Prozent aller Wahlberechtigten gerechnet, so ergibt sich folgendes Bild.
Resultate der Parteien in Bezug auf alle Wahlberechtigte:

Quelle: eigene Berechnung
Daraus ergibt sich, dass Union und AfD zusammen zwar 57 % der Abgeordneten stellen, aber nur (immerhin) 40,5 % der Wahlberechtigten repräsentieren.
Union und SDP zusammen repräsentieren trotz einer Mehrheit von 52,1 % der Mandate im Bundestag, die zur Bildung einer Regierungskoalition berechtigt, zusammen nur 36,9 % der Wahlberechtigten.
Neben den Nichtwählern gibt es eine große Zahl von Menschen, die nicht wahlberechtigt sind, darunter Jugendliche unter 18 Jahren und vor allem die 12,1 Millionen in Deutschland lebenden und gemeldeten Ausländer und Staatenlosen. Der Ausschluss eines großen Teils der Bevölkerung von der Wahl stellt neben der Nichtbeteiligung vor allem ärmerer Menschen ein massives Demokratiedefizit dar. Würde dies berücksichtigt, wäre die Repräsentativität der Parteien im Bundestag noch geringer.
5) AfD, die neue Arbeiterpartei?
Die traditionellen Parteien werden nicht nur geschwächt, sondern verändern auch ihre Klientel. Während die Union vor allem für die Älteren attraktiv ist, ist es die AfD zunehmend für die 25- bis 44-Jährigen. Während die SPD nur noch 12% der Stimmen der Arbeiter*innen (-14%) und 13% der Arbeitslosen bekommt, wählen 38% der Arbeiter*innen (+17%) und 34% der Arbeitslosen die AfD – wobei über den Umfang der Kategorie Arbeiter*innen noch zu diskutieren wäre: In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt im Januar 2025 insgesamt 45,6 Millionen Erwerbstätige; 72% davon sind Angestellte und nur 11% (5 Millionen) sind Arbeiter*innen (außerdem 5% Beamte, 8,7% Selbständige und 3,6% Auszubildende); von diesen 5 Millionen wird ein großer Teil nicht wahlberechtigt sein, da sie zu den 12,1 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Staatenlosen gehören, die in Deutschland leben und arbeiten.
Punkten konnte die AfD niht nur bei den „Arbeiter*innen“ (38%) sondern auch bei Menschen, deren finanzielle Lage schlecht ist (39%). Obwohl ihr Programm – mit Entlastungen vor allem für Besserverdienende und Sozialabbau – genau das Gegenteil aussagt, konnte sich die AfD erfolgreich als „Partei der kleinen Leute“ inszenieren. Trotz der Warnungen der Gewerkschaften, dass Beschäftigte von der AfD keine Verbesserungen erwarten können, haben viele Menschen, die sich in einer zunehmend prekären Lage befinden, die AfD gewählt – nicht nur aus Protest gegen die Regierungsparteien, sondern auch aus Zustimmung zur rassistischen und nationalistischen Politik der AfD.
Dennoch darf nicht vergessen werden, dass 80 Prozent derjenigen, die zur Wahl gegangen sind, nicht AfD gewählt haben. Trotzdem muss ernst genommen werden, dass die AfD zum Rattenfänger für Menschen wird, denen es nicht so gut geht. Darauf baut auch ihr Narrativ des unaufhaltsamen Aufstiegs.
6) Was tun?
Nach der Bundestagswahl 2025 gibt es zwei zentrale Herausforderungen: erstens, den Aufstieg der AfD und rechten Gedankenguts und rassistischer Praxis einzudämmen, und zweitens, die soziale Lage der Menschen zu verbessern sowie die Herausforderungen des Klimawandels ernst zu nehmen. Beides hängt eng zusammen. Die Linke ist derzeit dabei, ihr Organisationskonzept zu präzisieren, insbesondere im Hinblick auf die Integration neuer Mitglieder, aber auch im Hinblick auf ihre parlamentarische und außerparlamentarische Ausrichtung.
Ein interessanter Ansatz dabei wäre das Konzept einer « antifaschistischen Wirtschaftspolitik », wie es von Isabella M. Weber entwickelt wurde und in progressiven Kreisen von Ökonomen*innen intensiv diskutiert wird. Siehe dazu auch:
- Antifaschistische Ökonomik? (Exploring Economics)
- Isabella Weber: So geht antifaschistische Wirtschaftspolitik (JACOBIN Magazin)
- Antifaschistische Wirtschaftspolitik ist dringender denn je (SURPLUS Magazin)
Ich werde darauf zurückkommen.