CETA: TTIP durch die Hintertür!

In einer Dringlichkeitsanfrage an Premierminister Xavier Bettel und Außen- und Europaminister Jean Asselborn fordert der Abgeordnete von déi Lénk, Justin Turpel, die Regierung auf, sich beim EU-Gipfel am 30. August dafür einzusetzen, dass das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) nicht wie vorgesehen am 25. September 2014 unterschrieben wird. Darüber hinaus forderte er, den Entwurf des Abkommens ebenso wie das Verhandlungsmandat des Rates und die dazugehörigen Dokumente zu veröffentlichen und dessen Tragweite zusammen mit den Organisationen der zivilen Gesellschaft zu diskutieren.

Ende Juli hätten die Europäische Union und Kanada die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive and Trade Agreement), die im Mai 2009 begonnen haben, abgeschlossen. Am 5. August wurde das Abkommen allen Regierungen der 28 Mitgliedsstaaten der EU und der kanadischen Regierung zwecks Begutachtung zugestellt, damit sie während des EU-Kanada-Gipfels in Ottawa am 25. September 2014 vom kanadischen Premierminister, Stephen Harper, und dem scheidenden Präsident der europäischen Kommission, José Manuel Barroso, paraphiert werden können.

Investitionsschutz mit Konsequenzen

Der von der ‚Tagesschau‘ (ARD) veröffentlichte Text, so déi Lénk in ihrer parlamentarischen Anfrage, bestätige alle Befürchtungen der Zivilgesellschaft. So beinhalte das CETA beispielsweise Investitionsschutzklauseln für Unternehmen, sogenannte ISDS – „Investor-state dispute settlement“, die Konzernen das Recht einräumen, Staaten vor private Schiedsgerichte zu laden, wenn sie sich ungerecht von diesen behandelt sehen (1).

Derartige Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte haben bereits dazu geführt, dass beispielsweise der schwedische Konzern Vattenfall von Deutschland hohe Entschädigungen wegen der Entscheidung des Atomausstiegs verlangt und der Zigarettenkonzern Philip Morris Uruguay und Australien wegen ihrer Gesundheitsschutzvorgaben verklagen. Solche Klauseln und Investorenklagen sind zwar nichts Neues (die Unctad listete Ende 2012 immerhin 514 Fälle auf – die häufigsten aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland – aber für den transatlantischen Handel ist diese umfassende Paralleljustiz neu (idem).

Die Tatsache, dass das Verhandlungsmandat zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) ebenfalls ein derartiges Schiedsverfahren vorsieht, führte weltweit zu heftigen Protesten. In Luxemburg haben sich zahlreiche NGOs, die Gewerkschaften, die Mehrheit der politischen Parteien sowie  die Regierung selbst gegen derartige Schiedsgerichte ausgesprochen. In ihrer Antwort auf die parlamentarische Anfrage von déi Lénk zum TTIP, bestätigte die Regierung, dass derartige Investitionsschutzklauseln mit Mitgliedsstaaten der OECD völlig überflüssig seien;  diese Haltung habe die Regierung dem verhandlungsführenden EU-Kommissar Karel De Gucht auch schriftlich mitgeteilt.

Anlässlich der Sitzung des europäischen Ausschusses für internationalen Handel (INTA) am 22. Juli 2014 wies De Gucht jedoch darauf hin, dass das CETA-Abkommen strikt auf Basis des Verhandlungsmandats, das der Ministerrat der Kommission einstimmig verliehen hat, ausgehandelt wurde. Und dieses Mandat sehe das Verhandeln von Investitionsschutzklauseln mit Kanada ausdrücklich vor, und daran habe man sich gehalten!

TTIP durch die Hintertür

In seiner Anfrage weist der Abgeordnete von déi Lénk darauf hin, dass auch das Verhandlungsmandat zum TTIP Investitionsschutzklauseln und ISDS-Mechanismen vorsieht. Turpel mutmaßt, dass die scheidende Kommission um jeden Preis die Unterschrift des CETA durchbringen will, bevor sich die neue Kommission ihr widersetzen könne und bevor eine zu breite Opposition sichtbar wird. Die Aufnahme von ISDS-Mechanismen in das Freihandelsabkommen mit Kanada würde es amerikanischen Firmen erlauben, Schiedsverfahren über ihre kanadischen Filialen einzuleiten. Damit würde der Widerstand und Ausschluss von ISDS-Mechanismen im TTIP umgangen und zwecklos werden. „Sobald die Europäer CETA unterzeichnet haben, werden US-Firmen ihre Forderungen über kanadische Tochterfirmen in Europa geltend machen können“, so Maude Barlow, die Trägerin des Alternativen Nobelpreises (2). Negative Erfahrungen mit derartigen Schiedsverfahren habe man bereits beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA gemacht, das Kanada und die USA vor 20 Jahren mit Mexiko abgeschlossen haben. „Das NAFTA-Abkommen gibt – ebenso wie CETA – Konzernen die Möglichkeit, Staaten vor privaten Schiedsstellen auf Entschädigung zu verklagen, wenn Gesetze ihre Gewinne schmälern. Kanada wurde schon mehrfach Zielscheibe solcher Erpressungen: So wurde einer amerikanischen Firma, S.D Myers, nachdem Kanada den Handel mit PCBs verboten hatte, mehr als acht Millionen Dollar aus Steuermitteln als Entschädigung zugestanden. Die kanadische Firma Lone Pine Resources verlagerte ihren Sitz eigens in die USA, um gegen ein Fracking-Verbot in der kanadischen Provinz Quebec zu klagen. Forderung: 250 Millionen Dollar. Der Pharmakonzern EliLilly will sogar 500 Millionen Dollar vom kanadischen Staat, weil dessen Oberster Gerichtshof zwei Patente annullierte, da die Präparate nachweislich unwirksam waren.“ (idem).

„Klagen von US-Konzernen, die im Zusammenhang mit dem EU-US-Abkommen TTIP befürchtet werden, drohen Europa bereits mit CETA“, warnt Barlow. Dies ist auch einer der Gründe, warum der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, dieses Abkommen nicht unterschreiben will.

Dabei sind die ISDS-Mechanismen nicht der einzige Punkt, der uns in diesem Abkommen Sorgen bereiten sollte.

Regierung soll handeln

Jetzt ist es wichtig, dass die Regierung entsprechend handelt. So müsste beim kommenden EU-Gipfel am 30. August eine klare Sprache gesprochen werden. Deshalb auch die parlamentarischen Dringlichkeitsfrage des Abgeordneten von déi Lénk an Premierminister Xavier Bettel und Außenminister Jean Asselborn (3).

Als erstes möchte der Abgeordnete wissen, ob die zuständigen Minister der Notwendigkeit einer eingehenden Analyse des CETA-Abkommens zustimmen, die in Luxemburg zusammen mit der Abgeordnetenkammer und den Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführt werden sollte.

Des Weiteren will Turpel wissen, ob die Regierung ihre Opposition bezüglich der Schiedsverfahren aufrecht erhalte und ob diese Opposition ebenfalls in Bezug auf Kanada gelte. In diesem Zusammenhang will er außerdem erfahren, ob die Minister damit einverstanden seien, sich beim kommenden EU-Gipfels, am 30. August, dafür einzusetzen, dass die scheidende Kommission dieses Abkommens weder paraphieren noch unterschreiben soll.

Schließlich fragte Turpel, ob die Minister damit einverstanden seien, den Entwurf über das CETA-Abkommen in seiner derzeitigen Form, ebenso wie das Verhandlungsmandat und die damit verbundenen Unterlagen veröffentlichen zu lassen und öffentlich zu diskutieren.

Die Dringlichkeit der Anfrage wird damit begründet, dass der EU-Gipfel, bei dem diese Fragen erörtert werden sollten, bereits am 30. August stattfindet.

M. B. [Aus Goosch.lu]

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(1) „Auswertung des geleakten Vertragstextes des CETA-Freihandelsabkommens EU-Kanada“, Walter Gröh, www.heise.de, 18.8.2014, www.heise.de/tp/artikel/42/42548/1.html

(2) „CETA nimmt Demokratie in Geiselhaft“, Bericht von Annette Sawatzki, blog.campact.de, 18.8.2014, blog.campact.de/2014/08/ceta-nimmt-demokratie-in-geiselhaft/

(3) Siehe unter www.dei-lenk.lu/de/question-parlementaire-urgente-concernant-laccord-de-libre-echange-ue-canada-ceta/

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