Fragen zur Trinkwasserbelastung durch Pestizide und die Folgen …

Parlamentarische Anfrage an die Umweltministerin, den Landwirtschaftsminister und den Nachhaltigkeitsminister:

In einer rezenten Pressemitteilung stellt der Mouvement Ecologique eine Reihe von Fragen zur Trinkwasserbelastung durch Pestizide. Ihre Antworten auf diese Fragen würden mich sehr interessieren.

1.
Im Rahmen der durchgeführten Analysen-Kampagne sind laut den Verantwortlichen lediglich 16 Pestizide und eine Reihe ihrer Abbaustoffe im Trinkwasser untersucht worden. Aufgrund von welchen Kriterien erfolgte die Auswahl dieser Pestizide? Wird diese Untersuchung als erschöpfend angesehen oder lauern noch weitere Überraschungen? Wann wird endlich eine fundierte Risikoanalyse der eingesetzten Wirkstoffe und ihrer Abbauprodukte angegangen?

2.
Die effektiven Belastungszahlen durch die einzelnen Pestizide in den jeweiligen Stichproben wurden nicht explizit mitgeteilt. Da es – u.a. aus gesundheitlicher Sicht – nicht gerade unwesentlich sein dürfte, ob eine Substanz in einer Konzentration von 120 ng/l oder von 2500 ng/l festgestellt wurde, fordert der Mouvement Ecologique – mit Hinweis auf das Recht auf Zugang zu Informationen im Umweltbereich –  die detaillierte Veröffentlichung sämtlicher Analysenresultate. Sind Sie damit einverstanden?

Dem möchte ich hinzufügen: Wie sieht es mit der Belastung unserer Wasserreserven und des Trinkwassers durch Medikamente, Hormone, Kontrastmittel, Nanopartikel und Schwermetalle aus?

3.
Die Tatsache, dass das gesamte Netz des „Syndicat des Eaux du Sud“ (SES) als belastet eingestuft wird und einer Ausnahmeregelung von der geltenden Norm bedarf, bedeutet de facto, dass im Gebiet des Luxemburger Sandsteines generell ein massives Belastungsproblem besteht. Dass sogar in der Mischung von rund 50 Quellen im Einzugsgebiet des SES-Wassers der Grenzwert überschritten wurde, lässt tief blicken. Wie ist zu erklären, dass in diesem sensiblen Bereich des Luxemburger Sandsteins so viel Raps, bei welchem der Pestizideinsatz besonders hoch ist, angebaut werden darf und sogar finanziell durch EU und Staat über Flächenprämien gefördert wird? Welche Schritte werden von dem SES-Trinkwassersyndikat (ebenso wie von anderen Wasserversorgern wie z.B. SEBES) ins Auge gefasst, um ihre Verantwortung zu übernehmen v.a. im Bereich der proaktiven Landwirtschaftsberatung ab Frühjahr 2015?

4.
Die mittlere Aufenthaltszeit des Grundwassers im Luxemburger Sandstein beträgt etwa 10 Jahre. D.h. es ist damit zu rechnen, dass die Folgewirkungen der verwendeten Pestizide noch 10 Jahre andauern. Dies überschreitet die Dauer der befristeten Ausnahmeregelungen. In welchem Zeitrahmen ist mit einer natürlichen Verdünnung der kontaminierten Quellen unter den Grenzwert zu rechnen – was ja auch mit dem Ausmaß der Belastung abhängt, das bisher noch nicht veröffentlicht wurde?

5.
Aufgrund der Trinkwasserbelastung durch Pestizide wird die Trinkwasseraufbereitung aufwendiger und kostenintensiver. Da von einer längeren Aufenthaltszeit der Wirkstoffe im Wasserkörper auszugehen ist, dürfte dieser Mehraufwand während Jahren erfolgen müssen. In welcher Höhe werden sich die jährlich entstehenden Mehrkosten beziffern? Wer übernimmt die zusätzlichen Kosten? Werden diese auf den Verbraucher und somit auf den Wasserpreis abgewälzt werden? Oder wird das Prinzip “pollueur-payeur” spielen, was eigentlich der Fall sein muss? In wie fern werden diese Kosten im Rahmen des „plan de développement rural“ (PDR) / Finanzen des Landwirtschaftsministeriums berücksichtigt?

6.
In einer Reihe von EU-Mitgliedsländern ist die Anwendung von Metazachlor-haltigen Pestiziden in Trinkwasserschutzgebieten verboten (so beispielsweise in Österreich; Zitat aus der österreichischen Regelung: “In Österreich zugelassene Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Terbuthylazin und Metazachlor dürfen in Wasserschutz- und Schongebieten nicht mehr angewendet werden”). Wie kann es sein, dass in Luxemburg jedoch trotz Wasserschutzberatung durch die Landwirtschaftskammer noch nachweislich grundwasserverschmutzende Wirkstoffe/Abbauprodukte auf Flächen des Luxemburger Sandsteins eingesetzt werden? Sollte eine solche Maßnahme nicht auch kurzfristig präventiv in Luxemburg Anwendung finden, auch wenn – aufgrund der fahrlässigen Politik der letzten Regierungen in diesem Bereich – noch kaum Trinkwasserschutzgebiete ausgewiesen sind. Gäbe es dafür eine gesetzliche Grundlage?

7.
Laut offiziellen Zahlen des STATEC stellt der Anbau von Raps, bei welchem in besonderem Ausmaß Pestizide eingesetzt werden, in Luxemburg 3,5% der landwirtschaftlichen Anbaufläche dar. Wie sieht die Zukunft des Rapsanbaus in Luxemburg aufgrund der festgestellten Pestizidproblematik aus? Werden mögliche Substitutionsprodukte von Metazachlor harmloser sein? Ist es sinnvoll Rapsanbau (im Einzugsgebiet von Stausee und potentiellen Wasserschutzgebieten) weiterhin mit EU- und luxemburgischen Steuergeldern zu unterstützen? Müsste nicht der Pestizideinsatz im  Energiepflanzenanbau (Raps, Mais …) gänzlich verboten werden? Gibt es nachhaltige Alternativen zu diesen Kulturen?

Es ist bekannt, dass vielerorts Raps in einer dreijährigen Fruchtfolge mit Metazachlor Spritzung angebaut wird, obschon dieser Wirkstoff laut großherzoglichem Reglement vom 9. Juli 2013 in Quellenschutzgebieten maximal alle 4 Jahre auf der gleichen Parzelle ausgebracht werden darf, um das Grundwasser zu schützen. Hier muss die Frage gestellt werden, wie effizient die Einhaltung dieser Bestimmung kontrolliert wird?

Wegen des rezenten Unfalls wird momentan viel über den Rapsanbau und den Herbizidwirkstoff Metazachlor geredet. Aber auch der Wirkstoff S-Metolachlor darf nicht außer Acht gelassen werden; er wird zur Unkrautbekämpfung auf Maisäckern eingesetzt, und hat die gleichen Probleme: die Abbauprodukte sind in vielen Quellen und im Stausee festzustellen. Auch die Ausbringung dieses Wirkstoffes ist durch großherzogliches Reglement vom 9. Juli 2013 in Quellenschutzgebieten verboten. Dazu kommt, dass landesweit deutlich mehr Mais als Raps angebaut wird, sowohl zwecks Verfütterung als auch zur Vergasung in den Biogasanlagen. Wie ist die Haltung der Regierung zu dieser Problematik?

8.
Laut offiziellen Aussagen wird der “Plan für ländliche Entwicklung” u.a. in Zusammenhang mit der Beratung der Landwirte sowie der Pestizidproblematik überarbeitet werden. Dies entspricht einer Forderung des Mouvement Ecologique, die schon im Juli dieses Jahres gestellt wurde (siehe: www.meco.lu). Werden demzufolge im verfügbaren Finanzrahmen weitergehende Umschichtungen zugunsten einer nachhaltig orientierten Landwirtschaft vorgenommen? Beabsichtigt die Regierung kurzfristig ihr Versprechen zur Schaffung eines landwirtschaftlichen Kompetenzzentrums – als fachlicher Referenzstelle für eine Reorientierung der Luxemburger Landwirtschaft – umzusetzen?

Hochachtungsvoll.

Justin Turpel,
Abgeordneter

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