Im Folgenden möchte ich die Geschichte der Dakota Access Pipeline, von der Planung über den Aufstand der Standing Rock Sioux, die weltweiten Protesten und deren Erfolge, bis hin zum Rückschlag durch die Wahl von Donald Trump und dem jetzigen Stand der Mobilisierung zusammenfassen.
[Grün markierte Text-Passagen wurden am 27.2.2017 aktualisiert]
- Vorgeschichte
- Vom Aufstand der Standing Rock Sioux …
- … zum weltweiten Protest
- Finanziert durch ein internationales Bankenkonsortium
- Erste Erfolge des weltweiten Protests
- Rückschlag durch Donald Trump
- Die Mobilisierung geht weiter
Vorgeschichte
Der Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) wurde im Juli 2016 von der US Army Corps of Engineers (USACE) ([1]) genehmigt, die für den Bau aller größeren staatlichen Infrastrukturprojekte in den USA zuständig ist. Die 1.890 Kilometer lange Bakken Pipeline, wie sie auch noch genannt wird, soll das Bakken-Becken ([2]) in North Dakota, einem der größten Erdölfelder der USA ([3]), mit dem Portal zum Weltmarkt in Illinois verbinden. Die zunehmende Förderung von Schieferöl mittels Fracking hat die USA immerhin zum größten Erdölproduzenten der Welt gemacht. ([4])
Im Juli 2014 gab die texanische Unternehmensgruppe „Energy Transfer Partners“ (ETP) den Bau der Dakota Access Pipeline bekannt – und damit auch das Vorhaben, die klimaschädlichen fossilen Energien auszubauen, entscheidend voran zu bringen. Bereits unter Präsident Barack Obama wurde die Erdölförderung massiv gefördert. Erst während der zweiten Hälfte seiner Mandatsperiode wurden Klimaziele zaghaft berücksichtigt; an der Ausrichtung der USA auf fossile Energien hat dies allerdings recht wenig geändert.
Flüsse sind ziemlich lästige Hindernisse bei der Verlegung einer Pipeline. Erst recht, wenn es sich dabei um eine Pipeline handelt, die dem Transport von täglich 470.000 Barrel Rohöl – das sind ca. 74,7 Mio. Liter ([5]) – standhalten muss. Ursprünglich soll die Pipeline den Missouri River nördlich von der Bundeshauptstadt Bismarck unterqueren. Als diese Route wegen Umweltbedenken abgelehnt wird, verlegt man sie kurzerhand einige Kilometer flussabwärts an den nördlichen Zipfel des Sioux-Reservats „Standing Rock“. ([6])
Vom Aufstand der Standing Rock Sioux …
Mehrere hundert Kilometer Pipeline sollen, angrenzend an das Reservat der Standing Rock Sioux in North Dakota, unterirdisch verlegt werden. Aus Sicht des Stammes hat Washington gar nicht das Recht, über den Pipelineverlauf in North Dakota zu entscheiden. Die Rohre führen durch ein Gebiet, das den Sioux 1868 durch einen Vertrag mit der US-Regierung – den „Treaty of Fort Laramie“ – zugesichert wurde ([7]). Die US-Regierung hat diesen Vertrag bereits mehrmals gebrochen, um einseitig Land zu vereinnahmen: im 19. Jahrhundert, um Gold zu schürfen ([8]), später, um Dämme für Stauseen zu bauen, die fruchtbares Land der indigenen Völker überschwemmten. Die Trasse der Dakota Access Pipeline soll mehrfach unter Gewässern wie dem Missouri River oder den Lake Oahe hindurch führen, obwohl es sich dabei um Trinkwasserreserven für 17-18 Millionen Menschen handelt.
Wenn sich Umweltschutz- und Bürgerrechtsorganisationen, mittlerweile sogar die Weltöffentlichkeit, so intensiv mit dem Bau dieser Pipeline befassen, geht dies vor allem auf die Wachsamkeit der Standing Rock Sioux zurück. Seit Erteilung der Baugenehmigung durch die USACE im Sommer leisten sie auf vielfältige Weise Widerstand gegen das Projekt. ([9])
Anfänglich ging es dem Stamm vor allem um die Verteidigung seiner Grab- und Kultstätten gegen das weitere Vordringen der Planierraupen auf das Gebiet seines Reservats. Doch schon bald nahm ein anderer Aspekt in diesem Kampf eine zentrale Stellung ein: Im Interesse der gesamten betroffenen Region mit ihren 18 Millionen Einwohnern treten die Sioux als „Water protectors“ (Wasserschützer) für die Sicherung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser ein. ([10])
… zum weltweiten Protest
Dabei erhalten die Sioux Unterstützung von hunderten Stämmen der First Nations aus den USA, Kanada und Lateinamerika, sowie von einer breiten Bewegung aus Umwelt- und Klimaschützern, Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen. Sie verteidigen gemeinsam die Rechte der indigenen Völker, lehnen die Ausbeutung und Nutzung fossiler Brennstoffe grundsätzlich ab und kämpfen zum Wohle künftiger Generationen und aller Lebensformen auf dem Planeten Erde für eine grundlegende Veränderung der Energiepolitik. ([11])
Für die Natives geht es tatsächlich um mehr als die Bedrohung ihres Trinkwassers. „Was sich hier vollzieht, ist fortwährende koloniale Gewalt“, erklärt der Navarro Remy in einem Interview mit ZDF heute. Der Bau der Pipeline ist für die Sioux ein staatlich autorisiertes Verbrechen – genau wie die Black Hill Wars oder das furchtbare Massaker von Wounded Knee. LaDonna Brave Bull Allard, eine „Älteste“ der Sioux im Standing-Rock-Reservat, die das Protestcamp Sacred Stone Camp am Ufer des Stausees Lake Oahes ins Leben gerufen hat ([9]), erklärt, dass bis zu 380 Stätten mit archäologischer und spiritueller Bedeutung für ihr Volk „entweiht“ werden könnten, und fragt: „Wenn wir einer Ölfirma erlauben, hier zu graben und unsere Geschichte, unsere Vorfahren, die Herzen und Seelen unseres Volkes zu zerstören, was ist das anderes als Völkermord?“ ([12]) ([13])
Auch Yvonne Bangert, die Referentin für indigene Völker der Gesellschaft für bedrohte Völker ([14]), berichtet: „Das Pipelineprojekt verstößt gegen die UN-Deklaration der Rechte indigener Völker, die von den USA 2010 unterzeichnet wurde. Denn die Standing Rock Sioux wurden an den Planungen nicht beteiligt.“ Doch nicht nur das: „Auch das Recht auf Religionsfreiheit wurde verletzt: Die Bauarbeiten haben bereits mehrere heilige Stätten und Gräber der Sioux zerstört. Außerdem gefährdet die Pipeline das von den UN verbriefte Recht auf sauberes Trinkwasser, denn Lecks in Pipelines gibt es häufig. Deshalb konnten auch die Stadtväter der Hauptstadt North Dakotas Bismarck den ursprünglich in ihrer Nähe geplanten Verlauf der Pipelinetrasse als zu großes Risiko für die Wasserversorgung ihrer Bürger ablehnen. Dieses Recht müssen auch die Sioux weiter südlich haben!“
Finanziert durch ein internationales Bankenkonsortium
Finanziert wird das Projekt DAPL über Kreditlinien großer Banken und Finanzinstitute. Die in Washington D. C. ansässige Umweltschutzorganisation Food and Water Watch (FWW) – eine von Regierung und Privatwirtschaft unabhängige Organisation, die sich für ein Recht auf Nahrung und Wasser einsetzt, hat eine anschauliche Grafik veröffentlicht, aus der ersichtlich wird, von welchen Banken das Projekt getragen wird ([15]). Auch die Bau- und Betreiber-Gesellschaften liefern auf ihren jeweiligen Internetseiten Einzelheiten dazu. Aus diesen geht hervor, dass die Energy Transfer Partners (ETP) für den Bau der Pipeline 3,75 Milliarden US-Dollar von 26 Banken erhalten ([16]). Die Sunoco Logistics Partners (SXL), die die Pipeline betreiben wird, hat 2,5 Milliarden US-Dollar von 17 Banken erhalten, dies unter Federführung der Citibank ([17]), während die Energy Transfer Equity (ETE) von weitgehend denselben internationalen Banken 1,5 Milliarden US-Dollar bekommt ([18]). Die Präsentation, welche die Sunoco Logistics Partners ihren Investoren im Juli 2016 zur Verfügung stellte, liest sich wie eine Karte aus Goldgräberzeiten, auf der die USA nur aus Ölfeldern mit entsprechenden Profitmöglichkeiten bestehen ([19]).
Insgesamt 35 Banken stellen somit 10,25 Milliarden US-Dollar für das Projekt zur Verfügung. Dazu gehören Wall-Street-Unternehmen wie Goldman Sachs, Wells Fargo und JP Morgan Chase, „deren Namen seit der Finanzkrise von 2007 berüchtigt“ sind ([15]). 26 international operierende Banken wie Bank of America, Citizens Bank, Royal Bank of Canada, Bank of Nova Scotia, Credit Suisse, UBS, Deutsche Bank, Bayern LB, Societé Generale, Sumitomo Mitsui Bank und die Bank of Tokyo stellen eine „revolvierende Kreditlinie“ ([20]) zur Verfügung.
Zu den Banken, die das Projekt direkt finanzieren, gehört auch die BNP Paribas, an der der Luxemburger Staat beteiligt ist.
Auch der öffentliche Pensionsfonds Luxemburgs (FdC) hält direkte Anteile an den Bau- und Betreiberfirmen in Millionenhöhe, und zwar:
Energy Transfer Partners LP | 3.072.368 |
Sunoco Logistics Partners Operations LP | 1.909.021 |
Enbridge Energy Management LLC | 65.718 |
Marathon Oil Corp. | 1.064.301 |
Marathon Petroleum Corp. | 1.827.738 |
Phillips 66 | 4.103.717 |
Insgesamt: | 12.042.863 |
Daneben unterstützt öffentliche Pensionsfonds Luxemburgs zahlreiche Banken, welche die Dakota Access Pipeline finanzieren.
Dass Banken große Infrastrukturprojekte finanzieren, ist nicht unüblich. Heikel wird es jedoch, wenn bei der Umsetzung Menschenrechte missachtet werden, wenn die Umwelt gefährdet wird. Beides trifft im Fall der Dakota Access Pipeline zu.
Die meisten der an der Finanzierung beteiligten Banken betonen in ihrem jeweiligen Verhaltenskodex die Wichtigkeit von umweltverträglichem Verhalten, sozialer Verantwortung und dem Respekt von Menschenrechten. Durch die Investitionen in die Dakota Access Pipeline und den Bauträger Energy Transfer kofinanzieren sie jedoch ein Projekt, das die Rechte der indigenen Bevölkerung Nordamerikas verletzt und zur Verschlimmerung der Klimaerwärmung beiträgt. ([21])
Auffallend ist ebenfalls, dass viele europäische Banken an der Finanzierung beteiligt sind – darunter auch erstaunlich viele Banken und Finanzinstitute, die über Filialen und anderen Gesellschaften (Finanzvehikel) in Luxemburg verfügen ([22]). Einige nehmen sogar sogenannte Steuerrulings in Anspruch, die genauer unter die Lupe zu nehmen mit Sicherheit interessant wäre ([23]).
Erste Erfolge des weltweiten Protests
Die internationale Mobilisierung ([24]) konzentrierte sich in letzter Zeit immer mehr auf die Banken. Diese wurden von zahlreichen NGOs aufgefordert, ihr finanzielles Engagement für die Dakota Access Pipeline zu überprüfen und zurückzuziehen. Auch wenn die Banken meist ausweichend antworteten ([25]), kam es schon zu ersten Erfolgen: So hat die norwegische Bank DNB ihre Anteile an den Unternehmen mittlerweile verkauft, die am Bau der Dakota Access Pipeline beteiligt sind. Entscheidend für diesen Schritt waren die auch in Norwegen immer lauter werdenden Proteste, sowie eine Unterschriftenaktion und ein Appell von Greenpeace, aus der Finanzierung auszusteigen.
Am 2. November 2016 kommt es zu einem ersten größeren Erfolg, als US-Präsident Obama erklärt: „Nach meiner Ansicht gibt es für uns eine Möglichkeit, das Heilige Land der Native Americans zu respektieren und ich denke, dass das Army Corp of Engineers derzeit eine neue Route für die Pipeline prüft.“ Das Army Corps of Engineers erklärt am 14. November, für die Verlegung der Pipeline unter dem Lake Oahe seien „vor dem Hintergrund der Geschichte der Enteignungen der Sioux“ weitere Diskussionen und Analysen nötig.
Dass dies nur eine Atempause ist, ist jedoch allen Beteiligten soweit klar. Am 8. November wird Donald Trump, der klar und deutlich angekündigt hatte, den Bau der Pipeline weitertreiben zu wollen ([26]), zum nächsten US-Präsidenten gewählt. Weniger als zwölf Stunden nach Trumps Wahlsieg steigt der Börsenkurs der ETP-Aktie um 15 Prozent an. ([27])
Am 15. November 2016 gehen zehntausende Demonstranten in den USA und anderen Ländern auf die Straße und fordern US-Präsident Obama auf, den Bau der Dakota Access Pipeline zu stoppen. Allein in den USA finden 300 Protestveranstaltungen statt. Auch auf der zeitgleich stattfindenden UN-Klimakonferenz solidarisieren sich Delegierte mit den Standing Rock-Protesten.
Am 5. Dezember 2016 kommt es zu einem weiteren Erfolg für die Water Protectors. Auf Grund der anhaltenden Proteste und Mobilisierung stoppt die Obama-Administration, in diesem Fall das US Army Corps of Engineers (USACE), den derzeit geplanten Verlegung der Pipeline unter dem Stausee Lake Oahe und kündigt an, alternative Routen prüfen zu lassen ([28]). Diese Entscheidung könnte für langwierige Umweltverträglichkeitsprüfungen sorgen, die den Bau der Pipeline um Monate oder Jahre hinauszögern könnten.
Rückschlag durch Donald Trump
Am 24. Januar 2017 ist es dann soweit: Seit knapp 4 Tagen im Amt, demontiert Donald Trump – wie befürchtet – hemmungslos alle möglichen Klima- und Umweltschutzbestimmungen. Er weist die US Army und das Corps of Engineers an, möglichst flott dafür zu sorgen, dass die Dakota Access Pipeline fertiggebaut wird. ([29]) ([30]) Auch der von Obama gekippte Bau der Keystone XL-Pipeline, die Öl aus kanadischen Teersanden bis an den Golf von Mexiko transportieren soll, bekommt grünes Licht vom Weißen Haus. Und dies nicht nur, weil Trump selbst bis zu einer Million US-Dollar in die Dakota Access Pipeline investiert hat, sondern vor allem um „Business“ – verstehe: die Profite der amerikanischen Oil Companies – „great“ zu machen. Es sei bemerkt, dass auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau Ende November zwei umstrittene Pipeline-Projekte gebilligt hat, die Trans Mountain Pipeline und die Line 3 Pipeline. ([31])
Die Mobilisierung geht weiter
In letzter Zeit konzentriert sich die weltweite Mobilisierung gegen die Dakota Access Pipeline auf Banken und Finanzinstitute, welche die Finanzierung des Projektes gewährleisten.
„Wer mit Investments in solch umstrittene Projekte, die zudem rechtlich noch gar nicht abgesichert sind, Geld verdient, macht sich mitschuldig an den vielfach dokumentierten Menschenrechtsverletzungen an einer friedlichen Protestbewegung, die mit Mitteln des zivilen Ungehorsams um das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser kämpft“, hält die Gesellschaft für bedrohte Völker den deutschen Banken vor und fordert sie auf, sich – wie die norwegische Großbank DNB – aus dem Projekt zurückzuziehen ([32]).
Unter dem Aufruf „Kein Geld für Dakota-Pipeline von BayernLB“ ([33]) gewinnt die Mobilisierung der NGOs in Deutschland immer mehr an Bedeutung ([34]). Auch in anderen Ländern steigt der Druck auf die Banken.
Between December 2016 and February 2017, over a million people signed on to at least seven different petitions to demand that the banks stop financing the Dakota Access Pipeline (DAPL) and the companies behind it, with many of them pledging to switch banks if they do not.
Von Dezember 2016 bis Januar 2017 haben über eine Million BürgerInnen weltweit verschiedene Petitionen unterschrieben, mit denen sie die Banken, die an der Finanzierung der Dakota Access Pipeline beteiligt sind, aufforderten diese Unterstützung aufzugeben, oftmals unter Androhung eines Wechsels zu einer anderen Bank.
Aufgrund der internationalen Mobilisierung hat die norwegische Bank DNB ihre Beteiligung an der Finanzierung des Projektes bereits im Dezember 2016 zurückgezogen. Unter dem Druck der Mobilisierung in Deutschland hat die BayernLB am 24. Februar mitgeteilt, dass sie keine neuen Kredite zur Verfügung stellen wird. Die holländische ABN Ambro hat am 2. Februar angekündigt, jegliche Beziehung zur Energy Transfer Equity, der wichtigsten Firma des Projektes, abzubrechen. Die schwedische Bank Nordea hat kurzun die drei am Projekt beteiligten Firmen ausgeschlossen. Die ING hat ebenfalls angekündigt ihre Beteiligung ebenfalls zu überprüfen.
Und in Luxemburg?
Justin Turpel, 12. Februar 2017
[Grün markierte Text-Passagen wurden am 27.2.2017 aktualisiert]
- Siehe dazu auch meine Stellungnahme in einer Carte Blanche bei RTL.lu am 13. Februar 2017.
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Ein Kommentar zu Die Geschichte der Dakota Access Pipeline